
Stena Line in unseren Herzen
Stena Line ist ein Name, der berührt. Genau wie H&M und IKEA ist die Stena Line ein Unternehmen, das nach dem Zweiten Weltkrieg auf schwedischem Boden entstanden ist, um sich in seiner Branche zum weltweit führenden Anbieter zu entwickeln. Mit den Fähren der Stena Line reisen jedes Jahr 11 Millionen Passagiere, in Gesellschaft von 2,2 Millionen PKWs und 2 Millionen LKWs. Wenn sämtliche Fahrzeuge, die mit der Stena Line transportiert werden, eine Reihe bildeten, würde diese von Göteborg bis nach Australien und zurück reichen!
Viele glauben, dass der Gründer der Firma Sten A. Olsson ein ganz gewöhnlicher Göteborger war, der mit zwei leeren Händen begann. Falsch gedacht. Als der Fährbetrieb 1962 aufgenommen wurde, war Sten A. Olsson bereits seit 20 Jahren in der Altmetallbranche tätig und führte das erfolgreiche Unternehmen Stena Metall. Dies allein hätte schon genügt, um ihn zu den Großunternehmern in Göteborg zu zählen. Aber auch im Reedereigeschäft war Sten A. Olsson kein unbekannter Name. Zu diesem Zeitpunkt betrieb er schon seit ungefähr 15 Jahren ein kleines Fährunternehmen mit einer Handvoll kleinerer Frachtschiffe.
Der kleinere Vorgänger der Stena Line war die sogenannte Skagenlinjen, die nach ihrer Passagierroute Göteborg – Skagen benannt worden war. Als die erste richtige Autofähre der Reederei 1965 den Betrieb aufnahm, taufte man sie auf den Namen Stenalinjen. Einige Jahre später wurde der Name zu Stena Line internationalisiert.
Die Geschäftsidee war zu Beginn sehr einfach. Die Skagenlinjen stach vollbesetzt in See und man versuchte, den Verkauf an Bord zu maximieren. Sten A. Olsson war einer der Ersten, der erkannte, dass die Einnahmen, die aus dem Fahrkartenverkauf erzielt wurden, nicht die großen Gewinne brachten. Die Passagiere waren eher bereit, höhere Beträge für den Verzehr an Bord auszugeben als für die Fahrkarten. Aus diesem Grund traf man die kluge Entscheidung, Freikarten auszugeben. Die Göteborger Bürger der damaligen Zeit konnten der Verlockung einer gratis Seereise nicht widerstehen. Waren sie erst einmal an Bord des Schiffes, dann aßen sie Rinderfilet mit Sauce Béarnaise, tranken Bier und Schnaps und erstanden im Anschluss ihre Freimengen an Alkohol und Tabak. Anfänglich wurden auf den Schiffen sogar Lebensmittel verkauft, und viele prall gefüllte Einkaufstüten wurden an Land getragen.
Auf diese Weise flossen die Gelder in die Skagenlinjen, dem Vorläufer der Stena Line. Sten A. Olsson war der Prototyp eines Unternehmers und er investierte die erwirtschafteten Gewinne kontinuierlich in neue und größere Schiffe, die auf immer zahlreicheren Routen verkehrten. Aus seiner Zeit in der Altmetallbranche hatte Sten A. Olsson die Erkenntnis mitgebracht, dass richtig hohe Gewinne erst durch hohes Volumen erzielt werden.
Die konservativen Reederei-Kreise in Göteborg nahmen Sten A. Olsson und seine Passagierschiffe nicht ernst. Der Betrieb, der auf die breite Masse ausgerichtet war, galt als nicht prestigeträchtig. Es handelte sich um Einkaufsreisen, die als weniger „fein” eingestuft wurden als „richtige” Urlaubs- oder Dienstreisen. Die Schiffe wurden außerdem ständig ausgewechselt. Und so konnte doch wohl kein seriöser Fährbetrieb aussehen?
1965 wurden die Passagierschiffe von modernen Autofähren abgelöst. Die erste Fähre in Göteborg war die Stena Danica. Diese lief nicht den Hafen von Skagen an, sondern bediente den deutlich größeren und wirtschaftlich bedeutungsvolleren Hafen Frederikshavn. Hatten die alteingesessenen Göteborger Reedereien Sten A. Olsson zuvor nicht ernst genommen, so änderte sich dies nun schlagartig. Die Stenalinjen konkurrierte zu diesem Zeitpunkt mit der Sessanlinjen direkt um die Gunst der Kunden.
Als die Linie Göteborg-Kiel 1967 den Betrieb aufnahm, stieg das Ansehen der Stena Line. Norddeutschland galt als weit entferntes und spannendes Reiseziel. Die neue Deutschland-Fähre Stena Germanica war wirklich etwas ganz Besonderes.
Der Konkurrenzkampf mit der Sessanlinjen fand erst 1981 ein Ende, als die Stena Line die Sessanlinjen aufkaufte und dadurch praktisch das Monopol auf den Fährverkehr im Kattegat zwischen Schweden und Jylland erhielt. Interessanterweise änderte die Unternehmensführung der Stena Line ihr Geschäftskonzept daraufhin grundlegend und beschloss, von nun an als Reiseunternehmen zu agieren, bei dem Service und Qualität gleichermaßen im Mittelpunkt standen.
Einige Jahre später löste Dan Sten Olsson seinen Vater als Konzernchef ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits fast 20 Jahre in dem Großkonzern gearbeitet, den er wie seine eigene Westentasche kannte.
Jetzt war die Stena Line bereit für den Schritt vom regionalen Göteborger Familienbetrieb zum internationalen Großunternehmen. Der skandinavische Markt galt als gesättigt. Man richtete den Blick stattdessen ins Ausland und erwarb zwischen 1989 und 1990 die kanadische British Columbia Steamship Company, die niederländische Reederei Stoomvaart Maatschappij Zeeland und das britische Unternehmen Sealink British Ferries. Dadurch entwickelte sich Stena Line zur einer weltweit führenden Fährreederei.
Jedoch lief das internationale Konzept nur schleppend an. Die aufgekauften Unternehmen waren nicht besonders ertragreich und es dauerte mehrere Jahre, bevor die Stena Line auf den Schiffen ihrer neuen Gesellschaften denselben hohen Standard wie auf ihren eigenen Fahrzeugen anbieten konnte. Die wirtschaftliche Lage erforderte, dass Teile des Liniennetzes verkauft oder wegrationalisiert werden mussten. Man behielt lediglich zwei niederländische Routen nach England sowie den Fährbetrieb zwischen England/Schottland und Irland/Nordirland. 1995 nahm die Stena Line den Fährbetrieb zwischen Karlskrona und Gdynia auf und konnte sich auf diese Weise auf dem wachsenden osteuropäischen Markt etablieren.
Eine der großen Fragen der 1990er Jahre in der Fährbranche war die Auslaufphase des zollfreien Warenverkaufs auf den Fähren. Stena Line trat dafür ein, die Entscheidung zu vertagen, da die zollfreien Einkünfte für das Unternehmen von großer Bedeutung waren. Gleichzeitig stellte man sich auf neue Kapazitäten in Bezug auf Tonnage mit einem höheren Frachtvolumen und geringerem Passagiervolumen ein. Stena Line rechnete damit, vor allem mit den Lastwagen, die auf den Routen verkehrten, weiterhin Gewinne erzielen zu können. Darüber hinaus setzte die Reederei mit Nachdruck auf Hochgeschwindigkeitsfähren mit einer nie zuvor gesehenen Passagier- und Frachtkapazität. Die Reederei war vermutlich das Unternehmen, das am besten vorbereitet war, als der zollfreie Verkauf 1999 eingestellt wurde.
Nichtsdestotrotz war der finanzielle Verlust groß. Obwohl die Passagiere die Hochgeschwindigkeitsfähren liebten, konnte man nicht die Fahrkartenpreise verlangen, die ihren Betrieb profitabel gemacht hätten. In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts musste Stena Line in vielerlei Hinsicht neue Geschäftsmodelle entwickeln. Die Umstellung war zwar schmerzvoll, aber sie zahlte sich aus.
Die häufigsten Passagiere auf den Fähren von Stena Line sind LKW-Fahrer. Vor 25 Jahren wären es Kreuzfahrtpassagiere gewesen. Vor 50 Jahren Passagiere, die eine Einkaufsreise gebucht hatten. Heute ist Stena Line viel eher ein Frachtunternehmen, als das Unternehmen, welches es zu Beginn ihrer Geschichte gewesen war. Trotzdem hat man die Bedürfnisse der Passagiere nicht aus den Augen verloren und hat es sich zum Ziel gesetzt, ihnen ein angenehmes Reiseerlebnis zu bieten, das nicht zuletzt durch ein gutes Speise- und Getränkeangebot an Bord der Schiffe geprägt wird. Auf den Fähren haben mittlerweile so genannte „Bordershops” Einzug gehalten, die phantastische Einkaufsmöglichkeiten bieten.
Die große Herausforderung, vor der Stena Line künftig steht, ist, den Fährbetrieb zu einem grünen, umweltfreundlichen Betrieb zu machen. Wie so oft in ihrer Geschichte geht die Reederei ihren eigenen Weg. Als erstes Schiff der Stena Line fährt die Stena Germanica mit Methanol-Antrieb. Seit ein paar Jahrzehnten wird Methanol als natürlicher Ersatz für Öl und Benzin gehandelt.
In der Praxis macht Stena Line nur einen kleinen Teil eines größeren maritimen Unternehmens aus. Der Hauptsitz von Stena Line befindet sich nach wie vor in Göteborg. Das Unternehmen ist eines der besten Beispiele für schwedischen Unternehmergeist nach dem Zweiten Weltkrieg. Stena Line wird immer noch von der Gründerfamilie Olsson geführt und ist als Markenname genau wie IKEA und H&M weltweit ein Begriff. Es handelt sich um eine wirkliche und wahrhaftige Göteborger „Erfolgsgeschichte”.
/Anders Bergenek und Rickard Sahlsten.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich bei Anders und Rickard für diesen interessanten und informativen Beitrag bedanken. Ihr Buch „Stena Line- Historien om ett rederi” ist auf Schwedisch hier erhältlich.
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